Für Eilige (Kurzüberblick):
Gesetzlicher Anspruch? Nur in Ausnahmefällen (§ 1a KSchG), sonst Ergebnis von Verhandlungen oder Vergleich.
Höhe (Faustformeln): häufig 0,5–1,5 Monatsgehälter pro Beschäftigungsjahr, in Konzernen teils mehr; oft Sockelbetrag zusätzlich.
Aufhebungsvertrag: Achtung Sperrzeit (§ 159 SGB III) und Ruhen (§ 158 SGB III) beim ALG.
Steuern: Abfindungen sind voll steuerpflichtig; Fünftelregelung (§ 34 EStG) kann die Progression mildern.
Verhandeln Sie mehr als Geld: z. B. bezahlt freigestellt (Garden Leave), Zeugnisnote, Boni/Prämien, Outplacement.
Lokal: Als Kanzlei für Arbeitsrecht in München prüfen wir Fristen, Chancen & Abfindungsrange und verhandeln Ihre optimale Lösung.
Abfindungen sind längst kein reines Thema mehr für klassische Kündigungen. Immer häufiger bieten Unternehmen im Rahmen von Umstrukturierungen, Freiwilligenprogrammen oder internen Trennungsstrategien Abfindungen an, ganz ohne Kündigung. Für Arbeitnehmer stellt sich dann die Frage: Ist das Angebot fair? Gibt es bessere Alternativen? Und was ist verhandelbar?
In diesem Beitrag klären wir, ob ein echter Anspruch auf Abfindung besteht und ob Sie verhandeln sollten. Es lohnt sich genauer hinzuschauen, bevor Sie unterschreiben.
Gibt es einen gesetzlichen Anspruch auf Abfindung?
Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung: Anspruch besteht nur ausnahmsweise nach § 1a KSchG, wenn der Arbeitgeber dies im Kündigungsschreiben anbietet.
Grundsätzlich gilt: Es gibt keinen allgemeinen gesetzlichen Anspruch auf eine Abfindung. Trotzdem sind Abfindungen weit verbreitet. Sie werden oft gezahlt, um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden oder den „geordneten Ausstieg“ zu erleichtern.
Einzige Ausnahme: Nach § 1a KSchG: Abfindung Höhe = 0,5 Monatsgehälter je Beschäftigungsjahr, sofern keine Klage erhoben wird. Diese greift allerdings nur, wenn:
eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen wird und
der Arbeitgeber explizit im Kündigungsschreiben, unter Verzicht auf die Kündigungsschutzklage, eine Abfindung anbietet.
Diese Konstellation ist jedoch selten. In der Praxis entstehen die meisten Abfindungszahlungen durch individuelle Verhandlungen oder im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs.
Weiteres zur Kündigungsschutzklage im Beitrag: Kündigungsschutzklage: Ablauf, Fristen, Erfolgsaussichten & Abfindung (mit Checkliste) 🔗
Wann und warum werden Abfindungen gezahlt?
Unternehmen kaufen mit Abfindungen Prozess- und Planungsrisiken ab, besonders, wenn die Kündigung angreifbar sein könnte (fehlende soziale Rechtfertigung, fehlerhafte Sozialauswahl, Formfehler). Typische Konstellationen:
Vergleich im Gütetermin/Kammertermin: Eine Abfindung im Vergleich (Arbeitsgericht) wird häufig schon im Gütetermin vereinbart. Nähere Informationen dazu in Kammertermin 🔗 & Gütetermin 🔗
Aufhebungsvertrag im Rahmen freiwilliger Trennungen
Sozialplan bei größeren Maßnahmen. Nähere Informationen unter Sozialauswahl🔗
Drucksituationen, in denen das Prozessrisiko hoch ist
Abfindung bei Kündigung verhandeln: Je höher das Prozessrisiko des Arbeitgebers, desto besser die Ausgangsposition.
Wie hoch sind Abfindungen? Bandbreiten, Sockelbeträge & Beispiele
Übliche Bandbreite: Als Abfindung-Rechner (Faustformel) wird oft 0,5 × Jahre der Betriebszugehörigkeit genutzt, je nach Verhandlungslage mehr. In Branchen mit Programmen (Automobilindustrie, Banken, Konzerne) sind 1,0–1,5, vereinzelt bis 2,0 pro Jahr möglich.
Sockelbeträge (Fixbeträge): Bei kurzer Betriebszugehörigkeit gibt es oft einen Sockelbetrag Abfindung (Sozialplan) zusätzlich zur Formel (Praxis der Sozialpläne und Programme). Siehe hierzu auch LAG Nürnberg Urteil vom 12.11.2014 – 2 Sa 317/14
Mini-Beispiele (vereinfacht):
8 Jahre × 0,5 = 4 Monatsgehälter (Basis)
10 Jahre × 1,0 = 10 Monatsgehälter (Programm/hoher Vergleichsdruck)
3 Jahre × 1,0 + 5.000 € Sockel = 3 Gehälter + 5.000 €
Aufhebungsvertrag: Sperrzeit & Ruhen – so vermeiden Sie Nachteile
Ein besonders heikler Punkt bei Abfindungen ist die Kombination mit einem Aufhebungsvertrag. Viele Arbeitnehmer unterschreiben vorschnell – oft unter Druck. Sie übersehen dabei die Folgen für das Arbeitslosengeld:
Sperrzeit: Die Agentur für Arbeit kann eine Sperrzeit von bis zu 12 Wochen verhängen, wenn Sie durch den Aufhebungsvertrag selbst zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses beigetragen haben (§159 Abs. 1 SGB III).
Ruhen des Anspruchs: Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Anspruch auf ALG I für mehrere Monate ruhen, wenn eine Abfindung gezahlt wurde (§158 SGB III).
Fazit: Eine hohe Abfindung kann sich schnell relativieren, wenn Sie in der Folge wochen- oder monatelang kein Arbeitslosengeld erhalten.
So entschärfen Sie das Risiko (Best Practice):
Kündigungsfrist wahren bzw. realistisch abbilden (kein vorgezogener Beendigungszeitpunkt ohne Grund).
Betriebliche Gründe/Angebotslage dokumentieren (Begründung, die die Sperrzeit vermeidet).
„Neutral“ formulieren (kein „Eigenwunsch“).
Alternativen erwägen: erst Klage → Vergleich, statt sofortiger Aufhebungsvertrag.
Es gilt: Prüfen Sie genau, ob die Höhe der Abfindung auch einen Verdienstausfall der folgenden Monaten ausgleicht. Eine arbeitsrechtliche Beratung und Einschätzung eines Anwalts kann Ihnen dabei helfen, alle wichtigen Punkte mit einzubeziehen und ggf. eine höhere Abfindung von Ihrem Arbeitsgeber durchzusetzen.
Abfindung und Steuern: Fünftelregelung richtig nutzen
Ein häufiger Irrtum: “Abfindungen müssen nicht voll versteuert werden”. Das stimmt leider nicht. Abfindungen müssen vollständig versteuert werden, sie unterliegen der Einkommensteuer.
Die „Fünftelregelung“ (§ 34 EStG) kann die Progressionsspitze glätten, wenn die Zahlung außerordentlich geballt zufließt, zum Beispiel in einem Jahr. Die Abfindung kann dann in der Einkommenssteuererklärung auf die fünf folgenden Jahre aufgeteilt werden.
Aber auch hier gilt: Steuerlich optimieren lässt sich nur, was vorher gut geplant ist. Eine enge Abstimmung zwischen Anwalt und Steuerberater ist empfehlenswert. Vor allem bei hohen Beträgen.
Tipps:
Zahlungszeitpunkt planen (möglichst in ein Jahr mit geringerem übrigen Einkommen).
Raten/Teilauszahlungen kritisch prüfen (können die Begünstigung gefährden).
Anwalt & Steuerberater früh einbinden – Gestaltung ist der halbe Vorteil.
Mehr als Geld: Was Sie zusätzlich verhandeln sollten
Neben der Abfindung lassen sich weitere vorteilhafte Regelungen für Sie aushandeln. Nachfolgend einige Beispiele:
Garden Leave (Arbeitsrecht): bezahlte Freistellung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses verhandeln.
Abfindung & Zeugnis verhandeln: Note, Textbausteine und Ausstellungsdatum festhalten.
Boni/Prämien/RSUs, Zielerreichung, Variable.
Überstunden/Urlaub, Dienstwagen-/IT-Regelung.
Outplacement oder Weiterbildungsbudget.
Fälligkeiten & Zahlungsplan, Vertragsstrafen bei Verzug.
Typische Fallstricke und wie Sie sie umgehen
„Zu niedrige“ Baseline akzeptieren: Prüfen Sie Kündigungsangreifbarkeit, sie ist Ihr Hebel.
Fehlende ALG-Prüfung: Textbausteine können Sperrzeit auslösen.
Steuern übersehen: Nettoeffekt ohne Fünftelregelung falsch eingeschätzt.
Zu früher Aufhebungsvertrag: Oft ist erst Klage, dann Vergleich die stärkere Position.
Vergleich zu schmal: Nur Geld geregelt, später Streit um Zeugnis/Boni/Fälligkeiten.
Abfindung ist keine Selbstverständlichkeit – aber oft ein echtes Verhandlungsergebnis
Ob im Rahmen eines Aufhebungsvertrags, eines gerichtlichen Vergleichs oder einer Umstrukturierung, Abfindungen sind kein Geschenk, sondern oft das Ergebnis einer klugen Strategie. Wer sich frühzeitig beraten lässt, vermeidet Sperrzeiten, steuert steuerliche Nachteile und holt mehr für sich heraus.
Checkliste: So bereiten Sie Ihre Abfindungsverhandlung vor
Kündigung/Angebot, Zugang & Fristen, Arbeitsvertrag/Nachträge
Gehalt (fix/variabel), Zielvereinbarungen, Boni/RSU-Pläne
Abfindung – Steuer Tipps: Zahlungszeitpunkt planen, Progression prüfen, Steuerberatung früh einbinden.
Sozialdaten (Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung)
Zielbild: Weiterbeschäftigung vs. Trennung mit Paket (Abfindung + Freistellung + Zeugnis…)
Rechtsschutzversicherung (RSV)/Prozesskostenhilfe (PKH) prüfen, Steuerplanung andocken
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FAQs - Abfindung bei Aufhebungsvertrag
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Habe ich einen Anspruch auf Abfindung bei Kündigung?
Nur ausnahmsweise nach § 1a KSchG; meist ist die Abfindung Verhandlungssache oder Teil eines gerichtlichen Vergleichs.
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Wie hoch ist eine „typische“ Abfindung?
Üblich sind 0,5–1,5 Gehälter pro Jahr; Programme teils höher.
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Droht nach Aufhebungsvertrag eine Sperrzeit?
Ja, möglich bis 12 Wochen (§ 159 SGB III). Gestalten Sie fristschonend, dokumentieren Sie betriebliche Gründe und vermeiden Sie Formulierungen, die „Eigenwunsch“ signalisieren.
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Muss ich die Abfindung versteuern?
Ja. Die Fünftelregelung kann die Steuerlast senken, wenn die Zahlung außerordentlich zufließt. Timing & Gestaltung sind entscheidend.
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Was kann man außer der Abfindung verhandeln?
Garden Leave, Zeugnisnote, Boni/Prämien, Urlaub/Überstunden, Outplacement, Fälligkeiten – oft genauso wertvoll wie die Summe.
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