Das größte Problem beim Streit über mangelhafte Waren ist oft: Wer muss beweisen, dass der Fehler schon beim Kauf da war? Genau das regelt § 477 BGB.
Seit 2022 gilt: In den ersten 12 Monaten nach Kauf wird vermutet, dass der Mangel schon bei Übergabe vorhanden war. Das bedeutet: Nicht Sie als Käufer müssen alles nachweisen, sondern der Verkäufer muss beweisen, dass die Ware bei Übergabe in Ordnung war.
In diesem Beitrag erfahren Sie:
Wann § 477 greift, wann nicht.
Wie Sie die Beweislastumkehr praktisch nutzen.
Welche Sonderregeln für digitale Produkte und Gebrauchtwaren gelten.
Konkrete Beispiele aus der Praxis.
Was genau bedeutet § 477 BGB?
Grundidee: Tritt ein Mangel innerhalb der ersten 12 Monate nach Kauf auf, wird vermutet, dass dieser Mangel bereits von Anfang an vorhanden war.
Folge: Der Verkäufer muss beweisen, dass das nicht stimmt.
Beispiel: Sie kaufen ein Smartphone, und nach 9 Monaten fällt der Akku aus. Normalerweise müssten Sie als Käufer nachweisen, dass der Akku schon von Anfang an fehlerhaft war. Durch § 477 BGB ist es umgekehrt: Der Händler muss zeigen, dass der Defekt erst durch Ihr Verhalten entstanden ist.
Finden Sie allgemeine Punkte zum Thema mangelhafte Lieferung in unserem Beitrag: Mangelhafte Lieferung: Ihre Rechte als Käufer bei Sachmängeln 🔗
Warum wurde die Frist verlängert?
Früher galt die Beweislastumkehr nur für 6 Monate. Seit dem 1.1.2022 sind es 12 Monate. Damit haben Verbraucher ein ganzes Jahr lang einen deutlichen Vorteil.
Für Autos, E-Bikes oder Haushaltsgeräte macht das einen riesigen Unterschied, weil Mängel oft erst nach einigen Monaten auftreten.
Wann gilt die Beweislastumkehr und wann nicht?
Gilt für: Alle normalen Verbrauchsgüterkäufe (Unternehmer verkauft an Verbraucher).
Gilt nicht, wenn:
Der Mangel mit hoher Wahrscheinlichkeit erst nach Kauf entstanden ist (z. B. Sturzschaden, unsachgemäße Benutzung).
Bei lebenden Tieren: nur 6 Monate.
Beispiel: Sie kaufen eine Waschmaschine, die nach 10 Monaten ausfällt. Hier greift § 477 BGB. Wenn aber nachweislich ein Wasserschaden durch falschen Anschluss vorliegt, entfällt die Vermutung.
Sonderfälle: Digitale Produkte & Waren mit Software
Digitale Produkte (§ 327k BGB): Bei Apps, Software, Streaming etc. gilt ebenfalls eine Beweislastumkehr von 12 Monaten.
Waren mit digitalen Elementen (§ 475b BGB): Bei Geräten wie Smartphones, Smart-Home oder E-Autos gilt die Beweislastumkehr auch für die Software-Komponenten solange diese für die Nutzung nötig sind.
Beispiel: Ein Smart-Home-Thermostat funktioniert nach 8 Monaten nicht mehr, weil die Firmware fehlerhaft war. Auch hier profitieren Sie von der Beweislastumkehr.
Gebrauchtwaren: Was gilt hier?
Verkäufer dürfen bei Gebrauchtwaren die Gewährleistungsfrist auf 1 Jahr verkürzen.
Innerhalb dieses Jahres greift aber trotzdem die Beweislastumkehr nach § 477 BGB.
Beispiel: Sie kaufen einen Gebrauchtwagen beim Händler, und nach 9 Monaten tritt ein Motorschaden auf. Solange die Gewährleistung noch läuft, können Sie sich auf § 477 berufen. Sollte ein Verkäufer arglistig beim Autokauf getäuscht haben, haben Sie weitergehende Rechte. Nähere Informationen dazu hier: Arglistige Täuschung beim Gebrauchtwagenkauf 🔗
So nutzen Sie Ihre Rechte praktisch
Mangel sofort dokumentieren
Fotos, Videos, Notizen mit Datum.
Kaufvertrag/Rechnung bereithalten.
Händler schriftlich informieren
Kurz und sachlich: Mangel schildern, Nacherfüllung (Reparatur oder Ersatz) verlangen.
Frist setzen (z. B. 14 Tage).
Keine Beweise selbst führen müssen
Innerhalb von 12 Monaten ist der Händler in der Pflicht, sich zu entlasten.
Fristen kennen
Gesamt-Gewährleistung: 2 Jahre.
Aber: Ab Monat 13 kehrt sich die Beweislast wieder um. Jetzt müssen Sie beweisen, dass der Mangel schon bei Kauf vorlag.
Praxisbeispiele
Auto: Nach 11 Monaten fällt das Getriebe aus. Händler muss beweisen, dass der Defekt nicht schon bei Übergabe da war.
E-Bike: Akku verliert nach 9 Monaten massiv Leistung. Käufer kann sich auf § 477 berufen.
Laptop mit Softwarefehler: Gerät startet nach Update nicht mehr. Auch digitale Elemente sind geschützt.
Grenzen der Beweislastumkehr
Offensichtliche Eigenverschuldung (z. B. Sturz, falscher Gebrauch).
Normale Abnutzung/Verschleiß – nicht jeder Defekt ist ein Sachmangel.
Nach 12 Monaten (bzw. bei Gebrauchtware nach Ende der verkürzten Gewährleistung) gilt die Vermutung nicht mehr.
Fazit & Handlungsempfehlung
Die Beweislastumkehr nach § 477 BGB ist ein starkes Schutzinstrument für Verbraucher:
12 Monate lang muss der Verkäufer beweisen, dass die Ware fehlerfrei war.
Besonders bei teuren Produkten (Auto, E-Bike, PV-Anlage, Smartphone) lohnt es sich, den Anspruch frühzeitig geltend zu machen.
Unser Tipp: Dokumentieren Sie Mängel sofort und holen Sie frühzeitig rechtlichen Rat ein.
Sie haben ein defektes Auto, E-Bike oder Smartphone? Wir prüfen schnell, ob § 477 BGB greift und setzen Ihre Rechte konsequent durch. Wir prüfen innerhalb von 24 Stunden, ob § 477 BGB in Ihrem Fall greift, und setzen Ihre Ansprüche konsequent durch.
FAQ zu § 477 BGB
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Gilt die Beweislastumkehr auch für gebrauchte Sachen?
Ja, solange die Gewährleistung nicht wirksam verkürzt wurde.
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Was passiert nach Ablauf der 12 Monate?
Dann liegt die Beweislast wieder beim Käufer.
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Kann der Händler die Vermutung widerlegen?
Ja, wenn er plausibel beweisen kann, dass der Mangel erst nach Übergabe entstanden ist.
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Was sind „digitale Elemente“?
Alles, was ohne Software nicht funktioniert: z. B. Smartphones, Smart-Home-Geräte, vernetzte Fahrzeuge.
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